Text von Peter Reichard.
Am 18. Juni fand in Zürich der 2. »Tag der Schrift« statt, den die dortige Berufsschule Medien Form Farbe, die Gewerkschaft comedia und die Agentur dezemberundjuli organisiert hatten. Neben den vier Vorträgen gab es auch noch eine Ausstellung mit Arbeiten der Klassen zum Typografischen Gestalter, einer berufsbegleitenden zweijährigen Weiterbildung, die unter der Anleitung von Thomas Hofmann aus Berlin entstanden sind. Insgesamt besuchten rund 120 hauptsächlich junge Typografie interessierte dieses Typo-Event. http://www.typo-online.ch/tds/2005/
André Baldinger, Schweizer Typograf, der nun in Paris lebt, berichtete von seiner Schrift Newut sowie zwei aktuellen Schriftprojekten und Gerard Unger aus den Niederlanden führte die Zuhörer in das Typedesign von Zeitungsschriften ein. Wang Chao Ying aus China hielt seinen Vortrag auf japanisch, da kein chinesischer Übersetzer gefunden werden konnte. Den Abschluss machte Volker Heim aus Deutschland, der sein Diplomprojekt »La Formica« vorstellte, eine Schrift, die auch in 5 pt oder kleiner noch gut zu lesen ist.
André Baldinger – universelle Schriften
Die Schweiz mit drei bzw. vier Landessprachen und englisch in vielen Fachbüchern gibt – so Baldinger – einen anschauliches Beispiel dafür wie Schriften in verschiedenen Sprachen unterschiedlich wirken. So ist ein Text in deustcher Sprache auf grund der vielen Versalien viel unruhiger als ein italienischer Text in der gleichen Schrift.
Um einen möglichst gleichmäßigen Grauwert zu schaffen geht er davon aus, dass sog. Unicase-Schriften diesen Effekt aufheben können. Hierzu hat er vor 10 Jahren begonnen seine Schrift Newut (New Universal Typeface) zu entwickeln.
Die drei Formen der Newut: Classic, Plain und Tip
Ob die Variante »Tip«, wie er behauptet, den Einsatz von Akzenten klar definiert, so fern nur die Sprache klar definiert ist, wage ich zu bezweifeln. Anstelle der Akzente benutzt die »Newut Tip« einfach einen Punkt. Dabei werden aber diakritische Zeichen z.B. in osteuropäischen Sprachen schon völlig ausgegrenzt. Statt universell würde ich das Konzept eher mitteleuropäisch nennen.
Ein anderes Projekt mit »universellem« Charakter ist die Logotype und Beschilderung der »Cite internationale Universite de Paris«, (http://www.ciup.fr/) die Baldinger für Integral Ruedi Baur entwickelte.
Dabei werden Buchstaben oder Zeichen aus nicht-lateinischen Schriften, die formell aber lateinischen Buchstaben gleichen, eingestreut, um so das internationale und mulitikulturelle Image der Cite – ein internationaler Studentencampus – zu visualisieren.
Das neuste Schriftprojekt – wieder gemeinsam mit Ruedi Baurs Büro – ist eine Schrift für den Eiffelturm. Hierfür orientiert er sich an den Stahlkonstruktionen des Eifelturms. Schriftgewichte entstehen dann durch Verdickung der Konstruktionslinien. Dies ist die Basis der Displayvariante, die Textvariante, die noch in Arbeit ist, soll aus ausgefüllten Buchstabenformen entstehen.
Gerard Unger – Zeitungsschriften
Unger bezeichnete den Zeitungsdruck bis Anfang der 80er Jahre als typografisches Querfeldeinrennen für die Schrift: minderwertiges Papier, dünne Druckfrabe, hohe Geschwindigkeit des Rotationsdrucks etc. Die Schrift kommt wie ein Querfeldeinfahrer nicht mehr so sauber und klar heraus wie sie gestartet ist.
Dies setzt, trotz wesentlicher Verbesserungen des Zeitungsdrucks bestimmte Anforderungen an eine Zeitungsschrift: hohe Mittellänge, geringe Ober- und Unterlängen, was eine gute Zeilenbildung schafft und damit nur einen geringen Zeilenabstand erfordert. Die Serifen müssen so »stabil« ausgestalet sein, dass sie nicht wegbrechen können.
Sehr ausführlich stellte er verschiedene Schriften, die im Zeitungsdruck eingesetzt werden können bzw. extra für den Zeitungsdruck geschnitten wurden, vor.
Wang Chao Ying – Tompa Bildschrift
Nach der Mittagspause stellte Wang Chao Ying die letzte noch lebende reine Hieroglyphenschrift vor, die Tompa-Schrift. Die Tompa-Schrift wird vom Volk der Nashi im Süden Chinas verwendet.
Und darüber hinaus beschrieb er die Entwicklung der heutigen chinesischen Zeichen aus einer Bilderschrift, die sehr abstrakt geworden ist und auch Wendungen in der chinesischen Schriftgeschichte zu ausgeschmückten und ornamentalen Zeichen wie denen der Yati-Schriften.
Links die chinesische Zeichen für Switzerland und rechts die gleichen Zeichen in der Yati-Schrift
Volker Heim – la Formica
Leider hat sich Volker Heim zu sehr bei seinem Vortrag bewegt und ich konnte kein gutes Foto von ihm machen. Auf seiner Website findet man aber sehr viele Informationen über sein Schriftprojekt La Formica: http://www.laformica.de
Ausstellung
Die Ausstellung zeigte Schriftentwürfe, die Eigenheiten von Künstlern, Schauspielern oder Autoren visualisieren sollten.
Fazit
Insgesamt war die Veranstaltung sehr gelungen und interessant, also absolut zu empfehlen. Und wir werden nächstes Jahr sicherlich auch wieder hinfahren, zu mal Zürich eine schöne Stadt ist. Hierzu werde ich die Tage noch einige typografische Schnappschüsse zusammen stellen.